Sonntag, 10. April 2016

Ungewissheit

Am vorigen Sonnabend dachte ich, es hängt allein von meiner Lust und Laune ab, ob ich bald Halbmarathon laufe. Schnell wurde ich eines Besseren belehrt: schon am Nachmittag nach dem Lauf spürte ich, dass ich entweder allergisch auf die herumfliegenden Blütenpollen reagierte oder doch wieder eine Erkältung bekam. Ich hoffte sehr, dass es eine Allergie ist, obwohl das wirklich keine angenehme Option ist, aber: man kann laufen. Am Montag Morgen startete ich einfach mal wie gewohnt zum Lauf. Habe die Runde etwas abgekürzt, aber eigentlich klappte alles ganz gut. Am Abend hatte ich Trainertermin und weil der nun einmal vereinbart war, ging ich auch hin. Das kurze und interessante neue Trainingsprogramm gefällt mir ziemlich gut, und weil ich fürchtete, die Übungen in einer Woche oder später nicht mehr nachvollziehen zu können, fuhr ich am Dienstag Morgen wieder ins Fitnessstudio und ging den Plan durch, wenn auch längst nicht in der vorgegebenen Intensität. Bei einem neuen Programm ist ohnehin Vorsicht geboten, sonst kann man sich womöglich am nächsten Tag kaum noch bewegen.

Am Mittwoch Morgen war mir nach dem Aufstehen klar, dass ich mir doch wieder einen Infekt eingefangen hatte. Es fühlte sich nach beginnender Grippe an und meine Stimmung war im Keller. Da hatte ich mich gerade nach einer langwierigen Sache aufgerappelt und nun sowas. Das bremst mich wieder wochenlang aus, dachte ich und dieser Gedanke zog mich noch mehr runter. Im Laufe des Nachmittags verabschiedete ich mich vom Halbmarathon: hat keinen Sinn, dachte ich, nun muss ich zusehen, dass ich wieder fit werde - ohne Druck und ohne mich allzu sehr zu ärgern. Denn mein großes Laufziel wird im Sommer sein und das ist schließlich mein Hauptvorhaben in diesem Jahr. Bei dem Gedanken an dieses Ziel wurde meine Stimmung sofort besser. Gegen Abend hatte ich wieder Schwung, gute Laune und fühlte mich auch gesünder.

Am Donnerstag Morgen dachte ich mir, ich versuche doch mal ein Läufchen, ein ganz kurzes. Ja, ich gestehe, das war grenzwertig. Aber so ein, zwei kleine Runden, kürzer als sonst, traute ich mir durchaus zu. Die erste Runde ging so, also noch eine zweite, und da es ziemlich gut lief, wurde aus der geplanten kleinen Runde doch die normale. Da mir dieser Lauf gut bekam, beschloss ich, am Sonnabend das zu machen, was geht. Der Gedanke daran stimmte mich optimistisch.

Dass meine Stimmung im Keller war, liegt auch an anderen Erlebnissen, die ich in letzter Zeit hatte. Ich fühle mich immer mehr abgewertet, aufs Altenteil geschoben. Da kamen Bemerkungen, die ich völlig unangemessen finde. Wenn beispielsweise der Bankberater geradezu eindringlich davor warnt, aufs Land zu ziehen: "Aber Sie werden doch Ärzte brauchen in den nächsten Jahren", und überhaupt sollte ein zukünftiges Domizil möglichst einstöckig sein, denn Treppenlifte haben ihren Preis. Bin ich im falschen Film? Ich werde 52, nicht 82!

Die Älteren abzuwerten, viel zu früh zu Tattergreisen und Greisinnen zu erklären ist Kehrseite wie Bestandteil des in dieser Gesellschaft herrschenden Jugendwahns. Auf dem Arbeitsmarkt hat man eigentlich "abgewirtschaftet" - auch nicht nachvollziehbar, denn immerhin haben Leute wie ich noch 15 Jahre zu arbeiten. Und gegen all diese dummen Bemerkungen und diesen Unsinn, beschloss ich, hilft nur Rebellion. Dieser Gedanke hat mich, denke ich, noch etwas schneller wieder fit werden lassen.

Gestern bin ich nicht gelaufen, denn wir hatten spontan beschlossen, im Erzgebirge zu wandern. Heute fand nun der lange Lauf statt. Ich war vorsichtig optimistisch, an die 15, 16 Kilometer zu schaffen, wenn es gut läuft. Was soll ich sagen: nach dieser Woche lief es vergleichsweise mehr als gut. Ich war auch gar nicht soo langsam. Ich konnte mich auf die Lauftechnik konzentrieren und Körperspannung aufbauen. Und da kam ich in Stimmung, alles zu geben. Statt nach 16 Kilometern aufzuhören, erweiterte ich die Runde und lief doch die ursprünglich geplanten 18 Kilometer in 2:35.

Erfahrene Läufer wissen, dass sie mit ihrem Körper achtsam umgehen müssen. Meist ist einem das ein Bedürfnis. Manchmal aber sind die Umstände so, dass man etwas riskieren muss. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass man die eigenen Kräfte falsch einschätzt und der Versuch schief geht. Und Risiken eingehen, das muss auch jemandem über 50 gestattet sein. Ich habe ohnehin beschlossen, wenn ich denn alt werde, eine unvernünftige Alte zu werden. Denn was soll die sogenannte "Würde" (ich nenne es Langeweile), wenn die Würze im Leben fehlt.

Wie weit ich in vierzehn Tagen laufe, ist noch ungewiss. Gut so.

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