Samstag, 26. April 2014

Und der Körper hat Recht: 30 Kilometer

Ich habe meinen Lesern eine Kleinigkeit unterschlagen: am Karfreitag, als ich nach dem Lauf nach Meißen endlich in der S-Bahn saß, fiel mir ein, dass ich ja noch irgendwie vom Bahnhof nach Hause kommen muss. Es hatte inzwischen kräftig zu regnen begonnen und mir wurde allmählich richtig kalt. Da hatte ich keine Wahl: ich musste noch einen reichlichen Kilometer nach Hause rennen. Somit waren es insgesamt doch 25 Kilometer, also deutlich mehr als ein Halbmarathon. Diese Kleinigkeit sollte sich heute als wichtig erweisen. Anfang der vergangenen Woche hatte ich plötzlich wieder Zweifel: an dem Trainingsplan, den ich mir ausgesucht und von dem ich mich vorzeitig verabschiedet hatte, an meinen Zielen, meiner Einstellung, auch an meiner körperlichen Leistungsfähigkeit. Der Lauf am Karfreitag hat mir auch mental mehr abverlangt, als ich zunächst gedacht hatte. Sollte ich noch weitertrainieren? Kann ich das verantworten? Und vor allem: wie trainieren? Ich habe dann das getan, womit ich ein gutes Gefühl hatte: am Dienstag noch keinerlei Sport, am Mittwoch Morgen ein kurzer, ruhiger Lauf, aber keine Kurse am Abend, am Donnerstag Krafttraining, danach ein kurzes Ausdauertraining auf Crosstrainer und Fahrradergometer, am Freitag Ruhetag. Ich nahm alles zu mir, worauf ich Appetit hatte – ohne Rücksicht auf Kalorienangaben oder Nährwert. Und ich schlief so viel, wie es mir möglich war. Anfangs verstärkte das meine Zweifel noch, weil sich mein Tagesablauf im Wesentlichen auf Arbeiten, Essen und Schlafen reduzierte. Damit war ich unzufrieden und meiner Familie wollte ich einen solchen Zustand auch nicht länger zumuten. Im Laufe des Donnerstags kamen meine Energie und Unternehmungslust zurück. Ich begann, mich auf den langen Wochenendlauf zu freuen. Und auch auf meine Arbeit wirkte sich diese Vorfreude positiv aus. Sport kann so viel Energie spenden! Mir fiel wieder ein, was ich da am Karfreitag gemacht habe, und erstmals hielt ich es für möglich, mein Saisonziel, 30 Kilometer zu laufen, schon an diesem Wochenende zu erreichen. Im Laufe des Freitags wurde die Vorfreude stärker, ich spürte immer wieder ein Kribbeln im Bauch, als schwärmten da Unmengen Schmetterlinge. Aber ich wollte keinesfalls irgendetwas erzwingen. Von vorzeitigem Abbrechen bis zum Wunschziel hielt ich alles für möglich. Gestern Abend mochte ich dann keine noch so gesunde Mahlzeit zu mir nehmen, nur ein paar Schokoladeneier – aber so lässt es sich ja aushalten. ;-) Geschlafen habe ich etwa vier Stunden. Kurz vor halb vier stand ich auf. Morgens vor dem Lauf trinke ich immer meinen Milchkaffee – daran bin ich gewöhnt und ich würde nicht darauf verzichten wollen. In der Nacht hatte ich schon eine Quark-Joghurt-Creme gegessen und mochte nun nichts weiter. Meist decke ich dann den Frühstückstisch und höre mir noch ein wenig stimulierende Musik an. Beim Laufen möchte ich nur die Geräusche der Umgebung wahrnehmen. Ich war heute so motiviert, wie ich das nicht für möglich gehalten hätte. Kurz nach halb fünf begann ich zu laufen: an gut beleuchteten Straßen entlang nach Übigau. Der Himmel ist klar, feiner Nebel liegt auf den Wiesen und Straßen. Eine sehr schöne Stimmung ist das, und mit Sicherheit wird der Tag freundlich beginnen. Jetzt ist es noch dunkel. Ich laufe betont langsam und ruhig. Bloß nicht hektisch werden, nur nicht verspannen, immer auf die Haltung achten: ganz locker bleiben… So geht es in einem großen Bogen durch Übigau, zurück zum Elbepark und schließlich Richtung Elbe. Hier habe ich schon fünf Kilometer zurückgelegt. Heute trage ich nicht nur den Laufrucksack, sondern auch meinen Gürtel mit einem Trinkfläschchen. Den darin befindlichen Apfelsaft möchte ich mit dem Wasser aus der Trinkblase mischen. Meine Verpflegung für unterwegs: Traubenzuckertabletten. Die brauche ich aber jetzt noch nicht. Eine orangerote Mondsichel verblasst, es wird heller. Ich laufe nun in östlicher Richtung in die Stadt. Ruhig und stimmungsvoll ist es. Einige Leute sitzen noch an der Elbe. Ich bin gespannt, ob ich heute Läufer sehen werde. Von Brücke zu Brücke geht es… der Nebel verhindert eine ganze Weile, dass ich die Waldschlösschenbrücke sehe. Überqueren werde ich sie heute nicht. Als ich sie dann hinter mir lasse, habe ich meinen Laufrhythmus gefunden und jogge ganz entspannt weiter: so kann das gut noch eine Weile weitergehen. Der Nebel wird dichter: obwohl ich mich dem „Blauen Wunder“ nährere, kann ich es nicht sehen. Ich achte heute auf einen sanften, flüssigen Laufstil. Wo es möglich ist, laufe ich auch mal ein Stück im Gras oder wechsle die Wegseite. Ab und an setze ich die Füße anders auf. Mir ist schon klar, dass man sich beim Laufen verletzen kann. Also versuche ich, so gut wie möglich mit meinem Körper umzugehen. Der Anstieg zum Blauen Wunder mit dem Kopfsteinpflaster: eine Abwechslung, die gar nicht so unangenehm ist. Dann laufe ich hinüber auf die andere Seite: die schönen, imposanten Pfeiler der Hängebrücke ragen aus dem Nebel auf. Ich freue mich, bald wieder heimwärts zu laufen, auch wenn die Strecke, die vor mir liegt, nicht zu unterschätzen ist. Das Laufen fällt mir noch nicht schwer. Sehr gut klappt das heute. Als ich wieder auf dem Elberadweg bin, flitzt etwas Großes, Dunkles an mir vorbei. Ein Hund! Einige Meter vor mir bleibt er stehen und jault. Ich blicke mich um, suche seinen Begleiter, der hoffentlich bald folgen wird, aber niemand ist zu sehen. Hier im Nebel möchte ich mit diesem Hund nicht allein sein! Ich nehme schleunigst den nächsten Pfad hinauf zur Straße. Eine ganze Weile höre ich ihn bellen und jaulen. Auch neben der Straße kann ich gut weiterlaufen; der Fußweg ist eine ganze Weile sogar aus Erde, mit Split überzogen. Das fühlt sich sofort angenehmer an als der Asphalt auf dem Radweg. Ich mache die erste kurze Trink- und Gehpause. Die Waldschlösschenbrücke sehe ich wieder erst, als ich dicht davor bin. Als ich sie erreicht habe, gibt es eine Traubenzuckertablette. Eine Weile laufe ich auf einem Pfad in den Elbwiesen, dann – Hund in Sicht – geht es wieder oben auf dem Fußweg weiter. Ich bin in Johannstadt, das Zentrum rückt näher. Ich entschließe mich, doch wieder auf dem Elberadweg weiter zu laufen, am Flohmarkt vorbei, wo schon reges Treiben herrscht. Da kann ich mich während des Laufens sogar ein wenig umsehen. Die Innenstadt… bald ist die Halbmarathon-Marke erreicht. Der Nebel löst sich auf, es wird freundlich. Alle zwei Kilometer gibt es nun eine Traubenzuckertablette und etwas zu trinken. Das Laufen fällt mir noch erstaunlich leicht, als ich mich der Marienbrücke nähere. 23 Kilometer… ein einziger Läufer kommt mir entgegen. Die meisten Läufer sind morgen unterwegs, beim Oberelbe-Marathon. Ich laufe heute schon – das sage ich mir immer wieder wie ein Mantra, und denke mir dabei: ein guter Tag, mich richtig ins Zeug zu legen. Vorbei geht es am Heinz-Steyer-Stadion, wo morgen das Ziel für alle Läufer sein wird. Ich kenne das schöne Gefühl, hier anzukommen. Aber heute ist es reizvoll, weiter zu machen. Ein schöner Weg führt an der Elbe entlang bis zur Flügelwegbrücke. Ganz locker laufe ich weiter, der Himmel ist blau, die Sonne wärmt. Ein schöner Streckenabschnitt ist das, weil Bäume und Sträucher immer wieder Schatten spenden. Reichlich 25 Kilometer liegen hinter mir, als ich die Flügelwegbrücke sehe. In der Mitte der Brücke könnten es 26 Kilometer sein… hier nun nehme ich mir vor, die 30 Kilometer zu versuchen. Mein Trinkvorrat reicht noch gut bis nach Hause – und dorthin möchte ich ja! Heute werde ich nicht auf den Bus warten… allmählich komme ich dem Elbepark näher. Ich war heute schon einmal hier, als es noch dunkel war. Nun herrscht lebhafter Verkehr und die Sonne steht schon hoch am Himmel. Bald 28 Kilometer… und den Rest schaffe ich auch noch. Zeitweise geht es auch wieder leichter voran. Es klappt erstaunlich gut, ich habe nun keine Zweifel mehr, mein Ziel zu erreichen. So mancher wesentlich kürzere Lauf hat sich ähnlich angefühlt, aber ich habe dennoch Respekt vor der magischen Dreißig! Der letzte Kilometer. Zum Ende hin mache ich es mir etwas leichter: statt gleich nach Hause abzubiegen, wo es leicht bergan geht, laufe ich zur Elbe hinunter, eine leicht abschüssige Strecke. Ein paar Meter noch, dann gehe ich. 30,27 Kilometer - in 4:02! Ich muss zweimal hinschauen und kann es kaum glauben. Ich hatte geglaubt, an die fünf Stunden unterwegs gewesen zu sein. Stolz bin ich nicht, nur glücklich und dankbar, dass so etwas möglich war. Immerhin bin ich nicht mehr 20, auch nicht 30… Mein Saisonziel ist erreicht. Dass ich den ersten „Dreißiger“ noch im April schaffen würde, habe ich nicht erwartet oder erhofft. Nun werde ich, was das Laufen angeht, wieder halblang machen – und anderen Sport treiben. Denn die vergangen Wochen haben mich wieder gelehrt, wie nötig Regeneration ist. Kein Trainingsplan ist so wichtig wie die körperlichen Signale. Morgen werde ich an die vielen Läufer denken, die im Elbtal unterwegs sind – und hoffentlich alle gesund ins Ziel kommen.

Freitag, 18. April 2014

Ostern ist ein guter Zeitpunkt für einen Halbmarathon

Schon immer liebe ich Ostern. Ein extra langes Wochenende ist natürlich wie geschaffen für einen besonderen Lauf. Und da ich mich bisher beim langen Lauf ziemlich gut steigern konnte, stand für mich die Frage: Warum noch eine Woche mit dem Halbmarathon warten, wenn ich ihn auch zu Ostern laufen könnte? Dazu kam noch das Thema Schnelligkeit. Jeder, der bei einem großen Volkslauf und Wettkampf mitlaufen möchte, zumal bei einer der längeren Strecken, muss sich Gedanken über die Laufzeit machen und versuchen, durch Tempotraining schneller zu werden. Auch ich führe ein – relativ gemäßigtes – Tempotraining durch, zur Fitnesssteigerung und weil der Körper immer mal Abwechslung braucht. Unabhängig davon mache ich den langen Lauf nur noch in meinem Wohlfühltempo – und bin zu langsam, um an irgendwelchen Veranstaltungen teilzunehmen. Es reizt mich, offen gestanden, auch nicht mehr. In solchen Momenten ist es hilfreich, sich nach attraktiveren Zielen umzusehen. Ich möchte auch weiterhin überwiegend gern laufen. Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass ich mir schon immer gewünscht habe, einen Halbmarathon nach Meißen zu laufen. Somit stand mein Ziel fest: am Karfreitag laufe ich nach Meißen. Schon war die Vorfreude wieder da. Gestern Abend war ich voller positiver Erwartung und Zuversicht und völlig frei von Stress. Laufevents sind nicht immer nur mit positiven Gedanken verbunden… da baut sich schon ein gewisser Druck auf. Und ehrlich: sowas muss ich in meiner Freizeit nicht mehr haben. Den Wecker musste ich mir nicht stellen: halb vier war ich auf und punkt fünf Uhr drückte ich auf den Startknopf meiner Uhr. Die Strecke nach Meißen habe ich bisher nur beim Radfahren gemessen. Es sind reichlich 20 Kilometer von mir zuhause bis dorthin. Also begann ich mit einer Feldrunde von drei Kilometern, ehe ich mich auf die eigentliche Strecke in westlicher Richtung aufmachte. Ich war mir ja nicht mehr völlig sicher über die Streckenlänge und wollte vermeiden, noch ein ganzes Stück über Meißen hinaus laufen zu müssen – hinter der Stadt gibt es einen blöden Engpass am Radweg, den ich mir ersparen wollte. Als ich unter der Autobahnbrücke hindurch gelaufen bin, habe ich Dresden schon so gut wie hinter mir. An ein paar Häusern geht es noch vorbei, durch Altkaditz, weiter auf dem Elberadweg Richtung Radebeul. Da geht gerade die Sonne auf. Es ist ungewöhnlich schwül und ich bereue schon, mich warm angezogen zu haben. Bald muss ich die Jacke ausziehen und umbinden. Es ist sehr ruhig, ich bin noch so gut wie allein hier unterwegs. Das ist mir sehr lieb. Ich habe mich die ganze Woche lang schon auf diese Strecke gefreut, mit Blick auf die Elbe und viel Natur. Radebeul West – bisher ging es gut und für meine Verhältnisse zügig voran. Ich kenne diese Strecke ziemlich gut und sie fühlt sich heute für mich nicht mehr sehr weit an. Es gab allerdings Zeiten, wo ich sie schon mit dem Fahrrad als weit empfand! Normalerweise aber kommen mir Runden kürzer vor als stetiges Geradeauslaufen in einer Richtung, was – bei gleicher Strecke – eine Täuschung ist. Vom Geradeauslaufen hat man mehr: die Strecke ist abwechslungsreicher. Hinter Radebeul beginnt es zu nieseln. Zunächst ist das eher angenehm als lästig, aber an der Elbbrücke, die hinüber nach Cossebaude führt, muss ich mir die Jacke wieder überziehen. Hoffentlich geht der Schauer schnell vorüber! Irgendwann kommt ein Schild: 14,5 Kilometer bis Meißen, Eisenbahnbrücke. Echt? Da ist sicher ein Umweg gemeint, so weit kann das nach meinem Empfinden nicht sein. Ich habe reichlich 10 Kilometer hinter mir. Die Zeitanzeige an meiner Uhr beachte ich nicht. Der Regen hört so schnell nicht auf, aber meine Jacke hält ihn ja gut ab. Dann muss ich mir die Kapuze überziehen und werde allmählich froh über jedes Kleidungsstück, das ich trage. Unter der Kapuze fühlt man sich ein wenig abgeschirmt. Das ist weniger schön, aber ich habe noch ein Stück zu laufen… Bald bin ich in Coswig! Ich unterteile mir die Strecke in Abschnitte und kurz vor Coswig mache ich die erste kurze Trinkpause. Allmählich kommt eine etwas mühsame Phase… ich bin sicher, sie wird vorüber gehen. Als ich endlich an dem schönen Rastplatz mit Blick auf den Boselfelsen angelangt bin, gibt es eine Traubenzuckertablette. Der nächste Streckenabschnitt bis zur Bosel zieht sich erfahrungsgemäß in die Länge und ich möchte einem Konditionseinbruch vorbeugen: immerhin habe ich fast siebzehn Kilometer hinter mir. Der Regen lässt leider nicht nach, sondern wird stärker. Aber der soll mich nun nicht mehr hindern, nach Meißen zu laufen! Es ist ohnehin die nächste Station, von der ich mit der S-Bahn abfahren kann. Aber S-Bahn-Stationen können sich hinziehen… Ich entspanne mich, so gut es geht, und unter meiner Kapuze fühle ich mich ein bisschen wie in einer Blase. Hin und wieder schaue ich mich um, aber meist laufe ich nur. Langsam, so locker wie möglich, weiter. Ein Läufer kommt mir entgegen, auch er trägt einen kleinen Rucksack. Vermutlich werde ich bei dem nasskalten Wetter meine Trinkblase nicht ausnutzen, aber das macht nichts. Der Rucksack ist wesentlich komfortabler als der Gürtel mit den Fläschchen. Dennoch nehme ich meist den Gürtel, weil der Rucksack so nach Extremstrecke aussieht. Genau dies möchte ich ja mit dem regelmäßigen Training vermeiden: dass sich eine Strecke wie die heutige extrem anfühlt. Im Idealfall fühlt sich auch ein richtig langer Lauf wie ein normaler Wochenendlauf an – bei entsprechender Vorbereitung und einem geruhsamen Tempo. In einem ganz weiten Bogen führt der Radweg an der Bosel vorbei. Ab und an kommt mir auch mal ein Radfahrer entgegen. Es gibt eben Leute, die sich von schlechtem Wetter nicht abhalten lassen! Fünf Kilometer noch bis Meißen… Wirklich? Wiederum mag ich das nicht glauben – eigentlich müsste ich bald die Domtürme sehen. Noch ein paar Meter, und da sind sie! Wieder einmal geht ein Traum in Erfüllung! Ich bin mir ganz sicher, es bis in die Stadt hinein zu schaffen. Eine Spaziergängerin hat einen großen Hund bei sich. Glücklicherweise bleibt der Hund auf der Wiese und läuft nicht zu mir. Sowas fehlte mir jetzt gerade! Ich komme nur noch langsam voran. Die Halbmarathon-Marke ist bald erreicht… nur noch ein Stückchen. Ich möchte sie nicht verpassen, denn der Moment motiviert ganz gewiss für den Rest der Strecke. Ein Stück noch an Gartengrundstücken entlang… und dann hinauf zur Straße. Es ist gar nicht mehr weit! Nach einer Weile biegt der Weg wieder ab… an ein paar Garagen vorbei geht es wieder an die Elbwiesen. Da endlich ist der Blick frei auf die Altstadt von Meißen! Da vorn ist die Eisenbahnbrücke. Ein Blick zur Uhr sagt mir, dass ich die S-Bahn 8.19 Uhr nicht mehr erreichen werde. Egal. Ein Sprint ist jetzt nicht mehr machbar. Nur noch ein Stück, Meter um Meter komme ich der Brücke näher. Das Wetter ist richtig ekelhaft geworden. Endlich bin ich wieder „normale“ Fußgängerin. Ein paar Schritte noch zum Bahnhof – ich kann mir Zeit lassen. Die nächste S-Bahn fährt in einer halben Stunde. Auf ein Beweisfoto vom Dom verzichte ich. Ich muss mir nichts beweisen. Und der Forerunner hat ohnehin alles aufgezeichnet: 23,8 Kilometer bin ich in 3:17 gelaufen. Das ist schon ein Stückchen mehr als ein Halbmarathon. Es wäre, zugegeben, vernünftiger gewesen, von Haustür zu Haustür zu laufen – das übliche Schlechtwetterprogramm. Aber wie sehr es regnet, war nicht abzusehen gewesen und außerdem ist es doch viel schöner, auch mal unvernünftig zu sein.

Samstag, 12. April 2014

Die vergangene Trainingswoche hat mir etwas zu schaffen gemacht. Ich kann mich erinnern, dass es im vorigen Jahr ähnlich war: vor allem das häufige Tempotraining laugt irgendwann aus. Ich spüre deutlich, dass ich nun längere Regenerationspausen gebrauchen könnte. Mein Trainingsplan sieht ab kommender Woche auch eine Reduzierung vor. Diese werde ich so nicht umsetzen: ich werde nicht beim langen Wochenendlauf kürzen, sondern beim Tempotraining. Ich weiß schon, dass man nicht immer nur im Wohlfühlbereich trainieren sollte, aber nun ist der Zeitpunkt gekommen, auf den Körper zu hören. Ich werde an keinem Wettkampf teilnehmen. Die Zeit soll bei meinen langen Läufen keine Rolle mehr spielen. Trotz der eher mühsamen Woche hatte ich Lust auf den Wochenendlauf. Er war deutlich anstrengender als am vergangenen Sonnabend. Dennoch war ich von Anfang an zuversichtlich, mein Ziel, 19 bis 19,5 Kilometer zu laufen, zu erreichen. Ich bin 20,5 Kilometer gelaufen. Darauf bin ich ziemlich stolz, denn leicht war es nicht: ich musste mich immer wieder lockern und gelassen bleiben. Da ich gestern früh schon einen Tempolauf hatte und eigentlich die ganze Woche lang erholungsbedürftig war, kann ich mich über dieses Ergebnis freuen. Vor dem nächsten Wochenendlauf wird es kein Tempotraining geben. Ich hoffe, in guter Form zu meinem Oster-Lauf zu starten… aber erst einmal freue ich mich über ein erholsames Wochenende.

Samstag, 5. April 2014

Es hat geregnet über Nacht: Tropfen an den Fensterscheiben, Pfützen auf den Straßen. Die Luft ist ein wenig kühl, aber nicht zu kalt. So kann ein Tag beginnen: man tritt in Laufbekleidung aus dem Haus, atmet tief ein und denkt: Herrlich! Es ist noch dunkel und still draußen, so liebe ich das. Heute habe ich wieder konkrete Vorstellungen, wie weit ich gern laufen würde, und die passende Strecke beginnt mit einer Feldrunde zum Einlaufen. Langsam, locker, ruhig – das wird heute kein Tempotraining! Von Anfang an kann ich den Lauf genießen und das ist eine gute Voraussetzung. Süße Düfte liegen in der Luft; die Bäume blühen, manche sind schon verblüht. So könnte auch ein Mai-Morgen sein! Nach unserer Wochenendwanderung hatte ich – mit gutem Gefühl – das Montag-Lauftraining ausfallen lassen. Die Wanderung war ein richtig gutes Training gewesen: fordernd, aber nicht überfordernd. Ich wusste, ein Tag Pause würde besser sein als ein erzwungenes Training danach. Den Freitag-Lauf habe ich auf den Donnerstag vorgezogen, denn der Freitag war anderweitig verplant. Somit gewann ich wiederum einen Tag Pause vor dem langen Lauf und ahnte schon, dass dies nur gut sein konnte. Nach der Feldrunde geht es an der Elbe entlang Richtung Stadtzentrum. Ein paar Leute stehen schon auf der Molenbrücke. Der Morgen dämmert, ein leichter Dunst liegt über dem Elbtal. Ich spüre, dass es mir heute gut gelingt, meine Kräfte einzuteilen. Als ich von Brücke zu Brücke laufe, sehe ich hier und da Spaziergänger, die entweder schon früh auf oder immer noch auf sind, manche haben gleich auf den Elbwiesen übernachtet; sogar das eine oder andere Zelt ist zu sehen. Eine schöne Stimmung ist das, beinahe sommerlich, aber angenehm frisch – ideal zum Laufen. Schon kann ich die Waldschlösschenbrücke sehen. Ich habe bald neun Kilometer hinter mir und fühle mich gut. Den Anstieg zur Brücke nehme ich als kleines Hügeltraining, er fällt mir auch nicht allzu schwer. Anstiege möchte ich bald regelmäßiger laufen! Als ich die Brücke überquert habe, wende ich mich heimwärts. Am Johannstädter Fährgarten mache ich eine kurze Trinkpause. 12 Kilometer sind geschafft, und ich weiß, der Rest wird gut zu bewältigen sein. Weiter geht es locker und ruhig durch die Stadt. Schon vor der Augustusbrücke werde ich ein klein wenig schneller. Kann ich das bis nach Hause durchhalten? Wir werden sehen... Ich überquere die Brücke, und wieder unten an den Elbwiesen angelangt, sehe ich immer mehr Läufer. Etliche von ihnen trainieren für den Oberelbe-Marathon. Locker und nicht zu langsam laufe ich heimwärts. Auch der Anstieg zur Molenbrücke fällt mir nicht schwer; reichlich siebzehn Kilometer Laufstrecke liegen hinter mir. Ich werde mein Höchstziel für heute, 18 Kilometer, gut schaffen. Als ich am Hoftor ankomme, sind es 18,5 Kilometer in 2,28 h. Ich fühle mich gut gefordert, gut ausgearbeitet, erfrischt – rundherum wohl und zufrieden. Ich bin stolz und glücklich über diesen Lauf, aber gemessen an Wettkampfläufern, bin ich viel zu langsam. In den vergangenen Tagen habe ich nachgedacht über meine Ziele und bin immer mehr zu dem Entschluss gekommen, auch beim Laufen nur noch mein eigener Maßstab zu sein. Ich möchte das tun, was mich reizt und was mir Freude macht: so weit laufen, wie ich kann, bei gutem Befinden. Ein Halbmarathon ist gewiss etwas, was ein Freizeitläufer nicht mal so nebenbei tut, aber für mich ist er kein Ziel mehr, das mich beflügeln könnte. In drei Wochen möchte ich kein Limit kennen außer meinen ganz persönlichen Grenzen. Und deshalb heißt es: Tschüss Halbmarathon beim Oberelbe-Marathon. In diesem Jahr werde ich nicht dabei sein.