In der vergangenen Woche habe ich etwas geruhsamer
trainiert. Kein Intervalltraining, sondern am Dienstag zunächst eine Radtour
als Alternative zum Laufen und am Donnerstag… da habe ich gerade so 8,5
Kilometer geschafft. Mir hat zwar eine innere Stimme zugeflüstert: stell dich
nicht so an, du schaffst auch zehn Kilometer, aber ich wollte mich nicht quälen
und habe aufgehört. So toll empfand ich meine Form nicht und ließ völlig offen,
ob und wie weit ich heute laufen würde. Aber ich wachte schon kurz nach
Mitternacht auf und dachte sehnsüchtig: Warum kann ich nicht jetzt schon
loslaufen. Freilich wäre das möglich, aber der ganze lange Lauf in der
Dunkelheit, das ist dann doch nichts für mich. Ich mag ja besonders die
Morgendämmerung und den Tagesbeginn, das könnte von mir aus ewig andauern. Also
drehte ich mich nochmal um, aber kurz nach drei Uhr wollte ich dann aufstehen.
Ich war sowas von hibbelig! Es war immer noch sehr früh am Morgen, aber ich
nutzte die Gelegenheit für ein erstes kleines Frühstück. Gegen halb fünf war
ich dann nicht mehr zu halten: ich begann langsam mit einer großen Aufwärm-Runde
ums Feld. Als es dann richtig losgeht, habe ich schon vier Kilometer
zurückgelegt. Nun geht es an der Leipziger Straße Richtung Stadtzentrum, genau
wie am vergangenen Sonnabend. Heute muss ich mich besonders zügeln und um Ruhe
bemühen. Wenn ich in der Dunkelheit zu meinem Lauf aufbreche, denke ich oft an
die Hochtouren-Geher und Höhenbergsteiger, die meist schon in der Nacht losgehen
oder klettern. Ich habe viele solcher Tourenberichte gelesen, und mein
Wochenendlauf ermöglicht mir doch sehr regelmäßig ein kleines Highlight, eine
Auszeit aus dem Alltag. Durch die Feldrunde bin ich etwas später dran und der
Berufsverkehr ist schon im Gange. An der Albertbrücke geht es hinunter auf den
Elberadweg. Wieder begegnet mir ein Läufer in der Dunkelheit. Die beleuchtete
Waldschlösschenbrücke ist schon von weitem zu sehen. Mein Tempo ist sehr
gemächlich, aber so leicht wie am vergangenen Wochenende geht es nicht voran.
Ich mache mir darüber nicht weiter Gedanken. Noch weiß ich nicht, wie weit ich
heute laufen werde. Dann der lange, dunkle Wegabschnitt zwischen
Waldschlösschenbrücke und Blauem Wunder. Ich muss noch meditativer, noch
gelassener beim Laufen sein, mich völlig fallenlassen in die gleichmäßige Bewegung.
Auf dem Kopfsteinpflaster muss ich mich heute mehr konzentrieren. Stolpern oder
gar Umknicken wäre jetzt nicht so gut. Aber als Auflockerung des Lauftrainings
ist ein solcher Streckenabschnitt gar nicht verkehrt. Ich trage heute erstmals
meinen neuen Laufrucksack, der besonders klein und flach ist und eine
1-Liter-Trinkblase enthält. Ich habe aber nur 0,75 Liter eingefüllt. Die Träger
sind mit Täschchen versehen, praktisch fürs Handy, Fahrscheine und was man
sonst so benötigt. Ich habe heute gut vorgesorgt; immerhin bin ich gut im
Training und halte einen langen, weiten Lauf für möglich. Als ich das Blaue
Wunder, Dresdens östlichste Brücke, überquere, ist es zehn vor sieben. Wie es
mir wohl in einer Stunde gehen wird? Ich werde sehen. Nun bin ich über 14
Kilometer unterwegs, bald habe ich die 15-Kilometer-Marke erreicht. Blau
dämmert der Morgen, es ist trüb und kühl. Fünf Grad, dazu beinahe Windstille –
das sind für mich ideale Laufverhältnisse. Ich bin gern unterwegs, wenn es kühl
ist. Den Rückweg bis zur Waldschlösschenbrücke will ich heute genießen. Das ist
nicht nur der größte Abstand zwischen zwei Brücken, der sich hinzieht, sondern
das Elbtal ist hier so schön weit und es ist noch so still. Man sieht die
Elbschlösser auf der anderen Seite und wieder die Lichter der
Waldschlösschenbrücke. Nach etwa zehn Kilometern hatte ich die erste Trinkpause
gemacht, nach 16 Kilometern mache ich die zweite. Ich gehe dabei immer ein paar
Schritte und nutze diesen Moment als kurze Erholung. Es bringt nichts, während
des Laufens trinken zu wollen und sich dabei möglicherweise zu verschlucken. Und
irgendwann habe ich die Brücke hinter mir gelassen und begegne immer mehr
Läufern jeglichen Alters. Die meisten von ihnen starten und ich bin auf dem
Heimweg – einem langen Heimweg allerdings, wie ich nun beschlossen habe. Am
Johannstädter Fährgarten, Kilometer 18 ist überschritten, genehmige ich mir
eine Traubenzuckertablette. Vier Kilometer weiter soll es noch eine geben. Ich
laufe am Elbe-Flohmarkt vorbei, wo schon emsiges Treiben herrscht, und als ich
mich dem Stadtzentrum nähere, erfüllen mich Glück und Zufriedenheit. Mein
großes Ziel in diesem Jahr rückt näher, es ist heute realistisch. An der
Anlegestelle der Weißen Flotte ist die 20-Kilometer-Marke erreicht. Ich fühle
mich noch sehr gut, besser eigentlich als drüben auf der anderen Seite. Vermutlich
wirkt auch der Traubenzucker. Am Kongresszentrum ist Halbmarathon, 7:54 Uhr,
Trinkpause. Ich bin wirklich sehr langsam, aber nur so sind für mich derartige
Strecken zu schaffen. Und weiter geht es. Ich werde nicht versuchen zu kämpfen.
Kampf ist meist auch Krampf. Locker, ruhig und entspannt kommt man weiter. Ich
werde keine Strategien bemühen, der Kopf kann die Arbeit getrost den Beinen
überlassen, die sind trainiert und werden das schon machen. Ich sehe mich immer
mal um. Allmählich kommt man in Weihnachtsstimmung, etwa Adventsschmuck in der
Stadt wäre doch schön. Bald ist es soweit! Heute laufe ich weiter geradeaus, am
Ostra-Sportpark vorbei und von dort aus nach Nordwesten zur Flügelwegbrücke.
Den Radweg hier unten habe ich erst kürzlich für mich entdeckt; man fährt sehr
ruhig an Wiesen vorbei, eine richtige Genießer-Strecke und passend für mein
heutiges Laufziel. Aber plötzlich sehe ich vorn jemanden mit mehreren großen
Hunden, die wild herumspringen, und bin froh, sofort einen Abzweig zur Straße
hinauf nehmen zu können. Denen will ich heute nicht begegnen! Also leider keine
Genießer-Tour, aber dafür bringe ich jetzt schon etwas Anstieg hinter mich. Noch
eine Traubenzuckertablette, die sollte dann auch genügen. An der Bremer Straße
entlang … 24 Kilometer sind mein nächstes Streckenziel. Nun ist es anstrengend,
aber ich kann mich noch konzentrieren -
was bei der Beschaffenheit des Fußwegs nötig ist - und es tut nichts weh, also
werde ich heute mein Ziel erreichen. Keine Trinkpause mehr, ich will nun bis
Kilometer 25 durchlaufen. Anstieg zur Flügelwegbrücke, ich bin schon stolz, es
gleich geschafft zu haben. Als ich die Brücke etwa zur Hälfte überquert habe,
ist die magische Marke erreicht. Ich laufe noch weiter bis zur nächsten
Bushaltestelle am anderen Ende der Brücke. 25,5 Kilometer in 3:46. So weit und
so lange bin ich bisher noch nicht gelaufen! Und damit beende ich für mich die
Lauf-Hauptsaison 2013. Bis Anfang Dezember werde ich etwas abtrainieren und
dann eine Regenerationsphase einlegen, nur noch zweimal wöchentlich und
deutlich kürzere Strecken laufen und dafür öfter mal etwas anderes machen:
Spaziergänge, andere Sportarten und alles etwas ruhiger angehen. Den einen oder
anderen Genusslauf werde ich aber sicher auch weiterhin beschreiben – und dann
irgendwann im Februar , wenn es klappt, zu neuen Laufzielen starten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen