Freitag, 18. April 2014

Ostern ist ein guter Zeitpunkt für einen Halbmarathon

Schon immer liebe ich Ostern. Ein extra langes Wochenende ist natürlich wie geschaffen für einen besonderen Lauf. Und da ich mich bisher beim langen Lauf ziemlich gut steigern konnte, stand für mich die Frage: Warum noch eine Woche mit dem Halbmarathon warten, wenn ich ihn auch zu Ostern laufen könnte? Dazu kam noch das Thema Schnelligkeit. Jeder, der bei einem großen Volkslauf und Wettkampf mitlaufen möchte, zumal bei einer der längeren Strecken, muss sich Gedanken über die Laufzeit machen und versuchen, durch Tempotraining schneller zu werden. Auch ich führe ein – relativ gemäßigtes – Tempotraining durch, zur Fitnesssteigerung und weil der Körper immer mal Abwechslung braucht. Unabhängig davon mache ich den langen Lauf nur noch in meinem Wohlfühltempo – und bin zu langsam, um an irgendwelchen Veranstaltungen teilzunehmen. Es reizt mich, offen gestanden, auch nicht mehr. In solchen Momenten ist es hilfreich, sich nach attraktiveren Zielen umzusehen. Ich möchte auch weiterhin überwiegend gern laufen. Gerade noch rechtzeitig fiel mir ein, dass ich mir schon immer gewünscht habe, einen Halbmarathon nach Meißen zu laufen. Somit stand mein Ziel fest: am Karfreitag laufe ich nach Meißen. Schon war die Vorfreude wieder da. Gestern Abend war ich voller positiver Erwartung und Zuversicht und völlig frei von Stress. Laufevents sind nicht immer nur mit positiven Gedanken verbunden… da baut sich schon ein gewisser Druck auf. Und ehrlich: sowas muss ich in meiner Freizeit nicht mehr haben. Den Wecker musste ich mir nicht stellen: halb vier war ich auf und punkt fünf Uhr drückte ich auf den Startknopf meiner Uhr. Die Strecke nach Meißen habe ich bisher nur beim Radfahren gemessen. Es sind reichlich 20 Kilometer von mir zuhause bis dorthin. Also begann ich mit einer Feldrunde von drei Kilometern, ehe ich mich auf die eigentliche Strecke in westlicher Richtung aufmachte. Ich war mir ja nicht mehr völlig sicher über die Streckenlänge und wollte vermeiden, noch ein ganzes Stück über Meißen hinaus laufen zu müssen – hinter der Stadt gibt es einen blöden Engpass am Radweg, den ich mir ersparen wollte. Als ich unter der Autobahnbrücke hindurch gelaufen bin, habe ich Dresden schon so gut wie hinter mir. An ein paar Häusern geht es noch vorbei, durch Altkaditz, weiter auf dem Elberadweg Richtung Radebeul. Da geht gerade die Sonne auf. Es ist ungewöhnlich schwül und ich bereue schon, mich warm angezogen zu haben. Bald muss ich die Jacke ausziehen und umbinden. Es ist sehr ruhig, ich bin noch so gut wie allein hier unterwegs. Das ist mir sehr lieb. Ich habe mich die ganze Woche lang schon auf diese Strecke gefreut, mit Blick auf die Elbe und viel Natur. Radebeul West – bisher ging es gut und für meine Verhältnisse zügig voran. Ich kenne diese Strecke ziemlich gut und sie fühlt sich heute für mich nicht mehr sehr weit an. Es gab allerdings Zeiten, wo ich sie schon mit dem Fahrrad als weit empfand! Normalerweise aber kommen mir Runden kürzer vor als stetiges Geradeauslaufen in einer Richtung, was – bei gleicher Strecke – eine Täuschung ist. Vom Geradeauslaufen hat man mehr: die Strecke ist abwechslungsreicher. Hinter Radebeul beginnt es zu nieseln. Zunächst ist das eher angenehm als lästig, aber an der Elbbrücke, die hinüber nach Cossebaude führt, muss ich mir die Jacke wieder überziehen. Hoffentlich geht der Schauer schnell vorüber! Irgendwann kommt ein Schild: 14,5 Kilometer bis Meißen, Eisenbahnbrücke. Echt? Da ist sicher ein Umweg gemeint, so weit kann das nach meinem Empfinden nicht sein. Ich habe reichlich 10 Kilometer hinter mir. Die Zeitanzeige an meiner Uhr beachte ich nicht. Der Regen hört so schnell nicht auf, aber meine Jacke hält ihn ja gut ab. Dann muss ich mir die Kapuze überziehen und werde allmählich froh über jedes Kleidungsstück, das ich trage. Unter der Kapuze fühlt man sich ein wenig abgeschirmt. Das ist weniger schön, aber ich habe noch ein Stück zu laufen… Bald bin ich in Coswig! Ich unterteile mir die Strecke in Abschnitte und kurz vor Coswig mache ich die erste kurze Trinkpause. Allmählich kommt eine etwas mühsame Phase… ich bin sicher, sie wird vorüber gehen. Als ich endlich an dem schönen Rastplatz mit Blick auf den Boselfelsen angelangt bin, gibt es eine Traubenzuckertablette. Der nächste Streckenabschnitt bis zur Bosel zieht sich erfahrungsgemäß in die Länge und ich möchte einem Konditionseinbruch vorbeugen: immerhin habe ich fast siebzehn Kilometer hinter mir. Der Regen lässt leider nicht nach, sondern wird stärker. Aber der soll mich nun nicht mehr hindern, nach Meißen zu laufen! Es ist ohnehin die nächste Station, von der ich mit der S-Bahn abfahren kann. Aber S-Bahn-Stationen können sich hinziehen… Ich entspanne mich, so gut es geht, und unter meiner Kapuze fühle ich mich ein bisschen wie in einer Blase. Hin und wieder schaue ich mich um, aber meist laufe ich nur. Langsam, so locker wie möglich, weiter. Ein Läufer kommt mir entgegen, auch er trägt einen kleinen Rucksack. Vermutlich werde ich bei dem nasskalten Wetter meine Trinkblase nicht ausnutzen, aber das macht nichts. Der Rucksack ist wesentlich komfortabler als der Gürtel mit den Fläschchen. Dennoch nehme ich meist den Gürtel, weil der Rucksack so nach Extremstrecke aussieht. Genau dies möchte ich ja mit dem regelmäßigen Training vermeiden: dass sich eine Strecke wie die heutige extrem anfühlt. Im Idealfall fühlt sich auch ein richtig langer Lauf wie ein normaler Wochenendlauf an – bei entsprechender Vorbereitung und einem geruhsamen Tempo. In einem ganz weiten Bogen führt der Radweg an der Bosel vorbei. Ab und an kommt mir auch mal ein Radfahrer entgegen. Es gibt eben Leute, die sich von schlechtem Wetter nicht abhalten lassen! Fünf Kilometer noch bis Meißen… Wirklich? Wiederum mag ich das nicht glauben – eigentlich müsste ich bald die Domtürme sehen. Noch ein paar Meter, und da sind sie! Wieder einmal geht ein Traum in Erfüllung! Ich bin mir ganz sicher, es bis in die Stadt hinein zu schaffen. Eine Spaziergängerin hat einen großen Hund bei sich. Glücklicherweise bleibt der Hund auf der Wiese und läuft nicht zu mir. Sowas fehlte mir jetzt gerade! Ich komme nur noch langsam voran. Die Halbmarathon-Marke ist bald erreicht… nur noch ein Stückchen. Ich möchte sie nicht verpassen, denn der Moment motiviert ganz gewiss für den Rest der Strecke. Ein Stück noch an Gartengrundstücken entlang… und dann hinauf zur Straße. Es ist gar nicht mehr weit! Nach einer Weile biegt der Weg wieder ab… an ein paar Garagen vorbei geht es wieder an die Elbwiesen. Da endlich ist der Blick frei auf die Altstadt von Meißen! Da vorn ist die Eisenbahnbrücke. Ein Blick zur Uhr sagt mir, dass ich die S-Bahn 8.19 Uhr nicht mehr erreichen werde. Egal. Ein Sprint ist jetzt nicht mehr machbar. Nur noch ein Stück, Meter um Meter komme ich der Brücke näher. Das Wetter ist richtig ekelhaft geworden. Endlich bin ich wieder „normale“ Fußgängerin. Ein paar Schritte noch zum Bahnhof – ich kann mir Zeit lassen. Die nächste S-Bahn fährt in einer halben Stunde. Auf ein Beweisfoto vom Dom verzichte ich. Ich muss mir nichts beweisen. Und der Forerunner hat ohnehin alles aufgezeichnet: 23,8 Kilometer bin ich in 3:17 gelaufen. Das ist schon ein Stückchen mehr als ein Halbmarathon. Es wäre, zugegeben, vernünftiger gewesen, von Haustür zu Haustür zu laufen – das übliche Schlechtwetterprogramm. Aber wie sehr es regnet, war nicht abzusehen gewesen und außerdem ist es doch viel schöner, auch mal unvernünftig zu sein.

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