Samstag, 15. November 2014

Fünfzehn? Nein, siebzehn!

Nach dem langen Lauf am vergangenen Samstag rechnete ich mir gute Chancen aus, heute fünfzehn Kilometer und über zwei Stunden zu laufen. Diese Aussicht hat mich die ganze Woche lang beflügelt. Fünfzehn Kilometer, das ist immer noch eine magische Marke für mich. Wie stolz war ich, als ich eine solche Strecke zum ersten Mal gelaufen war! Deswegen habe ich auch konsequent und motiviert trainiert. Sogar zum Krafttraining wollte ich unbedingt – schließlich ist es wichtig für die Stabilität, die man besonders für die Langstrecken benötigt. Ich starte heute kurz vor sieben zu meinem Morgenlauf. Das ist ungewöhnlich spät für mich. Es bedeutet, dass es bereits dämmert, als ich mich auf meine erste kleine Runde zum Einlaufen mache. Nach dieser Runde lasse ich meine Warnweste zuhause. Sie ist zwar aus sehr leichtem Material (aus dem Sportgeschäft), aber dennoch spürt man sie gerade bei langen Läufen. Und heute ist es sehr mild. Als ich mich zur zweiten, größeren Runde aufmache, ist es hell. Novemberhell, nicht wirklich freundlich, aber auch nicht unfreundlich. Es ist eine ganz besondere Stimmung an diesem Morgen: sehr ruhig ist es, hier und da raschelt es leise, wenn Blätter zu Boden fallen. Ein Baum trägt noch fast alle rötlich gefärbten Blätter – ein schöner Anblick! Außer mir sind auch andere Läufer unterwegs. Die meisten wirken freundlich, man grüßt sich. Freundlichkeit hilft – wie natürlich auch das Laufen – gegen Novemberblues. Mir wird bewusst, wie sehr mich Ausdauersport gerade in der dunklen Jahreszeit fit und einigermaßen munter hält. Es hält zwar nie den ganzen Tag lang an, aber doch erstaunlich lange. Fünfzehn Kilometer – ich habe zwar mein Ziel irgendwo im Hinterkopf, aber bei einer solchen Strecke denke ich nicht allzu häufig daran, vor allem nicht zu Beginn. Das ist meine Methode, einen langen Lauf gut zu bewältigen: da ich ohnehin lange unterwegs bin, schiebe ich sämtliche Gedanken an das Ankommen und das Danach beiseite. Ich bin ganz im Moment, genieße das, was ist: die gleichmäßige Bewegung, die ruhige Atmung, die Bäume am Wegrand, die Elbwiesen, den Frühnebel, die Aussicht. Ich mache mir auch keinen Zeitdruck mehr: natürlich habe ich nach dem Laufen einiges vor, aber ein richtig langer Lauf hat Vorrang. Ich nehme mir alle Zeit, die ich brauche. Kein „oh, das ist noch so weit“ lasse ich zu, erst recht kein Selbstmitleid. Da ich auch Zeiten erlebt habe, in denen ich verletzungsbedingt nicht laufen konnte, weiß ich es zu schätzen, wieder so weit laufen zu können. Es ist ein Geschenk. Es ist keine Pflicht – ich könnte ja jederzeit abbrechen. Aber es ist auch das Gefühl da: das wird schon, ich habe es schon öfter gemacht. Mit Leichtigkeit klappt es am besten. Deswegen versuche ich immer wieder ganz bewusst, mir diese Leichtigkeit zu bewahren. Gerade dann, wenn das Laufen mal mühsamer wird – denn solche Momente kenne ich natürlich auch. An diesem stillen Novembermorgen hat das Laufen etwas Meditatives. Es fühlt sich heute so gut an! Eine Brücke nach der anderen lasse ich hinter mir, und dann sehe ich sie: die Waldschlösschenbrücke, meinen heutigen Wendepunkt. Ich bin relativ zügig dort. Als ich sie überquere, pfeift der Gegenwind. Aber die Jacke ist ein idealer Schutz – auch nicht zu warm. Wenn ich den Wind im Rücken habe, werde ich sie ein Stück öffnen. In Johannstadt sehe ich das erste Mal auf meine Garmin-Uhr. 10,5 Kilometer liegen bereits hinter mir – Zeit, etwas zu trinken. 10,5 Kilometer, die sich wie acht Kilometer anfühlen: mir wird klar, dass meine Tagesform heute recht gut ist und ich mein Ziel ziemlich sicher erreichen werde. Am Flohmarkt, der immer sonnabends an der Albertbrücke stattfindet, kann ich mich ein wenig umsehen. Und das Stadtzentrum rückt näher: Hinauf zur Augustusbrücke: das wird ein wenig mühsam. Ich muss ja wieder auf die andere Elbseite. Als ich die Marienbrücke hinter mir gelassen habe, staune ich: über dreizehn Kilometer habe ich schon geschafft! Das bedeutet – bis nach Hause werden es mehr als fünfzehn sein. Mal sehen, was geht! Als ich 15,5 Kilometer hinter mir habe, beschließe ich, den Lauf noch etwas gemächlicher ausklingen zu lassen. Aber bald beginne ich zu frieren und muss doch wieder etwas schneller laufen. Ich freue mich so über die heutige Strecke, dass ich die Molenbrücke, welche den steilsten Anstieg hat, problemlos hinauf komme. Oops, ich bin ja schon oben! Die letzten Meter bringe ich ruhig und gemütlich hinter mich. Gut siebzehn Kilometer bin ich heute gelaufen – in zwei Stunden und zwanzig Minuten. Ich bin eine überzeugte Langsam-Läuferin. Warum soll ich mich hetzen? Der Alltag ist hektisch genug… Ein Lauf wie dieser ist erholsam für mich – ein Flow-Erlebnis. Ich trainiere, um mich fit zu halten, um im Sommer auf Berge steigen zu können, aber auch, um solche Erlebnisse zu haben! Achtsamkeit gelingt mir so gut nur bei einem langen, langsamen Lauf. Aber vielleicht gelingt es mir auch zunehmend besser, vom Laufen für andere Situationen zu lernen.

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