Samstag, 14. November 2015

Für dieses Jahr am Ziel

Als ich wusste, dass ich diese Woche noch einmal am Sonnabend laufen würde, hatte ich noch keine Ahnung, wie viel ich schaffen wollte. Es war eine sehr „dichte“, arbeitsreiche Woche mit Überstunden und in solchen Zeiten bin ich eher zurückhaltend mit meinen Freizeit-Ambitionen. Ich beschloss, einfach nach Tagesform zu laufen.

Am Abend aber ging mir einiges durch den Kopf: Laufziele, die ich anstreben könnte, und bei allem Hadern mit meiner Langsamkeit kam mir doch die eine oder andere Idee. Die Folge war, dass ich gegen halb drei hellwach und motiviert war und bald danach aufstand. Noch ein bisschen Hausarbeit, bis ich gegen 4.20 Uhr das Haus verlasse. Es ist wirklich noch Nacht und sehr ruhig auf den Straßen. Um die vereinzelten Gestalten, die – mehr oder weniger desorientiert – noch unterwegs sind, mache ich einen Bogen. Auf der ersten Runde ist es ein bisschen schaurig: der Wind heult, die Bäume knarren und ächzen und das trockene Laub raschelt. Auf der zweiten Runde, immer noch wohnungsnah, wird es ein wenig belebter – da sind schon Leute unterwegs zur Arbeit. Es klappt recht gut, und als ich zur dritten Runde Richtung Stadtzentrum aufbreche, bin ich zur Ruhe gekommen. Die Ziele sind erst einmal in den Hintergrund gedrängt, nun laufe ich einfach nur so weit ich komme. Dass ich zwischendurch noch einmal zuhause vorbei gehen kann, ist günstig: heute lasse ich die Warnweste daheim. Da ich noch eine ganze Weile an einer beleuchteten Straße entlang laufen werde, ist sie überflüssig. Irgendwann stört sie nur noch und schließlich wird es auch zu warm.

Bisher ist das Wetter aber angenehm. Das ungewöhnlich warme, manchmal fast schwüle Wetter der letzten Tage ist für mich nicht so ideal zum Laufen. Ich habe es gern ein paar Grad kühler. Heute ist der Wetterumschwung schon zu spüren, aber die Windböen lassen noch einmal nach, und die Stimmung im Elbtal ist schön und spätherbstlich. Als ich die Albertbrücke erreicht habe und auf den Elberadweg wechsle, wird es allmählich heller. Ich nähere mich der Waldschlösschenbrücke, aber heute laufe ich an ihr vorbei: es geht weiter zum Blauen Wunder. Ich bin so gut wie allein unterwegs, einmal überholt mich ein Radfahrer, dann kommt mir ein Läufer entgegen.

Man gewöhnt sich an die großen Runden. Der Abschnitt bis zum Blauen Wunder kommt mir so weit gar nicht vor, wie ich befürchtet hatte. Die Kilometeranzeige beachte ich noch nicht, denn ich kann mir ganz gut ausrechnen, wie der Stand ist und außerdem ist heute Gelassenheit Programm. In der vergangenen Woche habe ich nicht viel Sport getrieben. Den Montaglauf habe ich weggelassen, am Dienstag war ich beim Krafttraining, und nach dem acht-Kilometer-Mittwochlauf spürte ich da und dort ein Ziehen in Muskeln und Sehnen und die Beine waren ein wenig schwer. Alles noch harmlos, aber für mich war das Anlass, zwei Ruhetage einzulegen. Heute habe ich das Gefühl, dass dies angemessen war.

Am Blauen Wunder ist Umkehrpunkt und während ich mich allmählich – nun von der anderen Seite – der Waldschlösschenbrücke nähere, sind die Windböen wieder heftiger. Ich bin froh, Jacke, Stirnband und lange Laufhosen zu tragen. In Johannstadt genehmige ich mir ein Energy-Gel, damit der Lauf nicht so auslaugt. Kurze Trinkpausen habe ich zuvor schon gemacht. Ich laufe gern nüchtern, weil mir Essen vor dem Laufen nicht so gut bekommt, aber bei dem, was ich heute vorhabe, möchte ich sicher gehen, dass mir die Kondition nicht plötzlich einbricht und Gelenke, Sehnen und Bänder zu sehr beansprucht werden - denn die müssen schließlich alles abfangen, was die Muskeln nicht mehr bringen. Da ich mich nach 22,5 Kilometern noch sehr gut fühle, weiß ich, dass heute 30 Kilometer ein realistisches Ziel sind. Kaum zu glauben, wie schnell sich der Körper anpasst: am vergangenen Sonnabend war ich nach einer solchen Strecke schon ziemlich fertig.

Mein nächstes Ziel, das ich anpeile, ist das Fitnessstudio der Firma, wo ich arbeite, weil es dort eine Toilette gibt. Als ich die Firma wieder Richtung Elbe verlasse, habe ich 26 Kilometer zurückgelegt und bin schon sehr zufrieden mit dem heutigen Lauf. Nach einer Trinkpause geht es noch einmal los Richtung Flügelwegbrücke. Ich lockere und entspanne mich immer wieder, achte auf eine tiefe Atmung und kann sogar noch die Herbststimmung an den Elbwiesen genießen. Das hat Seltenheitswert und ich bin froh und dankbar. Auf dem weiteren Abschnitt zur Flügelwegbrücke konzentriere ich mich überwiegend auf mich, auf die Atmung und auf Gelassenheit, um bloß nicht das Gefühl zu haben, kämpfen zu müssen. So etwas führt nur zu Stress und Verkrampfen und ist hinderlich bei einem langen Lauf. Und außerdem weiß ich, dass ich mein Ziel gut erreichen werde. Genau genommen habe ich es nach dem Aufstehen schon so gewollt.

Ich überquere die Brücke und auf der anderen Seite angekommen, habe ich meine Freude: 30,5 Kilometer sind erreicht und ich spüre, dass ich erstmals deutlich mehr als 30 Kilometer schaffen kann. Langsam und ruhig laufe ich weiter, und als ich an einer Ampel noch einen Sprint einlegen kann, ist mir klar, dass ich mich nicht übernommen habe. 31 Kilometer, dann 32 … und ich bin entschlossen, die 33 komplett zu machen. Nach 4:45 h beende ich den Lauf. Davon abgesehen, dass die Beine nun zu spüren sind, geht es mir immer noch gut. Aber vermutlich werde ich die Nachwirkungen erst morgen und übermorgen richtig merken. Besonders freue ich mich darüber, dass ich ziemlich zügig meine Wunschstrecke geschafft habe, ohne zuvor hart trainieren zu müssen. Aber vermutlich kann ich auch auf die Wanderkondition aufbauen – und auf meine anderen bisherigen langen Läufe. Nun werde ich wahrscheinlich für den Rest des Jahres mit dem Laufen kürzer treten, aber das entscheide ich jeweils nach Gefühl.

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