Es muss kurz vor sechs gewesen sein, als ich zuhause
loslief. Ich gestehe, ich habe wieder nicht zur Uhr geschaut. Als es gestern Abend
in Strömen geregnet hat, war ich unsicher, ob ich heute laufen würde. Notfalls
hätte ich meine Wochenend-Runde auf den Sonntag verschoben. Aber ich war gegen
fünf Uhr wach und es hatte aufgehört zu regnen – da war natürlich klar, dass
ich nichts verschieben würde, was ich auch heute erledigen konnte. Die
vergangene Woche war sehr sportintensiv. Ich hatte zwei freie Tage und habe
sowohl meine Laufrunden als auch zwei Fahrradtouren durchführen können.
Krafttraining hatte ich schon am Montag. Der Lauf am Dienstag
war sehr schön und für mich eine Premiere: ich bin
erstmals, an einem sonnigen Morgen, über die neue Waldschlösschenbrücke
gelaufen. So umstritten sie auch ist: nun steht sie und mit ihr sind neue Möglichkeiten
für Läufer entstanden. Von hier aus bis hin und wieder hierher zurück, das
könnten 15 Kilometer sein. So weit bin ich allerdings noch nicht, aber ich
hoffe, es an einem der nächsten Wochenenden zu sein. Ich brach an der
Hauptstraße ab und fuhr die letzten Kilometer (knapp vier) mit der Straßenbahn.
Wie schon geschrieben: ausgefüllt war die Woche mit überwiegend angenehmen
Aktivitäten, aber zum Schreiben bin ich bisher nicht gekommen. Heute nun spüre
ich deutlich das erhöhte Sportpensum und fühle mich etwas ausgepowert. Kann
sein, dass das trübe Wetter auch dazu beiträgt: ich habe keine wirkliche Lust.
Und ich finde auch keine Übereinstimmung zwischen Laufrhythmus und
Atmung. Beides kommt mir flüchtig und unregelmäßig vor. Die linke Socke rutscht
mir mehrmals herunter. Warum habe ich nicht früher gemerkt, dass dieses Paar
Socken entsorgt werden muss? Ich beschließe, nach der großen Feldrunde (knapp
vier Kilometer) noch einmal nach Hause zu laufen und die Socken zu wechseln. Danach möchte ich an der
Elbpromenade entlang laufen. Zehn Kilometer würde ich gern zustande bringen.
Das Ziel scheint mir realistisch zu sein. Heute ist kein idealer Lauftag für
mich. Aber ich habe mich ja deutlich gesteigert in letzter Zeit – kein Wunder,
dass man das irgendwann auch spürt. Zuhause angekommen, fällt mir auf, dass die
Socken jetzt gut sitzen. Ich nutze die Gelegenheit, um ein Glas Wasser zu
trinken. Trinken hilft immer. Dann geht es wieder los. Auch die paar Meter in
unsere Straße hinein und wieder hinaus zählen. An manchen Tagen zieht sich die
gefühlte Strecke sehr in die Länge. Das spüre ich, als ich an der Molenbrücke
ankomme. Hier habe ich gerade sieben Kilometer zurückgelegt und möchte an die
neun Kilometer Richtung Stadtzentrum gelaufen sein, ehe ich umkehre. Aber neun
Kilometer sind ziemlich lang, wenn man keinen guten Tag hat! An der Leipziger
Straße sind noch vereinzelte Nachtschwärmer unterwegs. Einer turnt kopfüber auf
einer Bank herum – vermutlich hat er vor seinem Parkour-Versuch reichlich
getrunken. An dem möchte ich nicht noch einmal vorbei laufen! Ich wende mich
nach 8 ½ Kilometern Richtung Elberadweg und laufe heimwärts. Nun wird es
allmählich hell. Hier unten genieße ich die Ruhe und das Laufen fällt mir
wieder leichter. Dann kommen mir vereinzelte Radfahrer und auch Läufer
entgehen. Über zehn Kilometer… ich bin erleichtert. Das Wunschziel für heute
ist geschafft und ich kann mich entspannen. Aber je näher ich den elf
Kilometern komme, desto ehrgeiziger werde ich. Es klappt doch ganz gut bisher,
ich müsste auch zwölf Kilometer schaffen können. Und dafür laufe ich noch eine
kleine Runde durch Nebenstraßen. Mühsam ernährt sich die Anzeige auf meiner Uhr…
aber dann habe ich es geschafft. Zwölf Kilometer. Warum hatte ich heute solche
Zweifel? Es ist doch alles gut gegangen, und erst, als ich längst zuhause bin,
fängt es wieder an zu regnen. Heute freue ich mich auf einen – sicher guten – Kinofilm
über das Laufen, das Leben und das Älterwerden. Laufen kann viel mehr sein als
einfach nur Sport.
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