Samstag, 23. Mai 2015

Zugabe

Die Situation wiederholt sich gelegentlich: wochentags quält man sich beim Weckerklingeln aus dem Bett und am Sonnabend ist man auch ohne Wecksignal zur gewohnten Zeit wach. Ich hätte einfach noch ein bisschen dösen und trödeln können, aber ich beschloss, aufzustehen und laufen zu gehen. Ausgeschlossen hatte ich diese Möglichkeit gestern nicht, aber ich habe es davon abhängig gemacht, ob ich mich aufraffen kann. Und nun, da ich mich aufgerafft hatte, wollte ich auch etwas Schönes tun. Ich hatte Lust, früh am Morgen in die Stadt hinein zu laufen. Wochentags laufe ich sehr ungern auf dem Elberadweg, denn das macht überhaupt keine Freude mehr: da ist einfach zu viel los. Nicht einmal mit dem Fahrrad bin ich gern unterwegs, aber ich fahre dennoch regelmäßig zur Arbeit: das ist eben Berufsverkehr und kein Vergnügen. Oft hasse ich die Stadt, möchte weg aus diesem Lärm und der Hektik. Natürlich hat die Stadt auch ihre Vorzüge, und heute wollte ich ihre schöne Seite sehen. Nach der üblichen Aufwärmrunde laufe ich an der Elbe entlang Richtung Stadtzentrum. Ich bin nicht allein: es sind schon ein paar Läufer außer mir unterwegs, auch Radfahrer. Aber es ist noch angenehm ruhig. Der Himmel ist überwiegend bedeckt, die Sonne kann sich nicht durchsetzen, aber es ist dennoch nicht unfreundlich. Am City-Beach läuft leise die Musik, aber es ist niemand da. In ein paar Stunden wird das anders sein. Heute gibt es wieder keinen Berglauf, weil ich keine Lust auf die entsprechende Strecke hatte. Ich möchte ja wieder mehr darauf achten, was mir Freude macht. Und diesen Lauf betrachte ich als Zugabe: der darf einfach schön sein. Als ich die Marienbrücke vor mir sehe, fällt mir ein: ich kann ja Treppentraining machen. Das ist durchaus effektiv. Dreimal laufe ich die Stufen an der Marienbrücke hinauf und wieder hinunter. Als ich das dritte Mal abwärts laufe, sehe ich neben mir am Hang einen jungen Fuchs sitzen. Er ist nicht einmal drei Meter von mir entfernt, neigt den Kopf ein wenig zur Seite und sieht mich aus großen Augen an. Sehr überrascht scheint er nicht zu sein: Füchse, die in der Stadt leben, sind wohl an Menschen gewöhnt. Ich hingegen bin noch nie zuvor einem wilden Tier so nahe gewesen. Ich laufe bald weiter, weil ich ihn weder verängstigen, noch ihm den Weg abschneiden möchte. An der Augustusbrücke laufe ich viermal die Treppen hinauf und hinunter und an der Albertbrücke nehme ich auch noch ein paar Stufen mit. Das ist weniger anstrengend; ich nenne es Treppen-Intervalltraining, weil ich zwischendurch immer wieder auf ebener Strecke laufe. Aber dann genügt es auch, ich spüre meine Beinmuskeln und morgen beim Wandern möchte ich nicht unbedingt Muskelkater haben. Langsam laufe ich heimwärts. Als ich der Marienbrücke näher komme, läuft Füchslein von rechts nach links über den Weg Richtung Elbwiesen. Hoffentlich findet er etwas zum Fressen. Ich freue mich nun auch aufs Frühstück. Durch diesen 15-Kilometer-Lauf sind aus 23 Wochenkilometern 38 geworden.

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