Freitag, 29. März 2013

Der Freitag ist ein freier Tag, und weil ich den Wochenrhythmus nicht so schnell durchbrechen kann, steht für mich fest, dass der lange Lauf bereits heute stattfindet. Gestern habe ich mir das Krafttraining streichen müssen und mir kamen ernsthafte Zweifel, ob ich mein Ziel, bald Halbmarathon zu laufen, noch weiter verfolgen sollte. Die Füße machen gerade keinen Ärger, aber eine länger dauernde Überlastung kann zu einem ernsten Hindernis werden. Eine sportliche Herausforderung könnte zu riskant oder gar nicht zu bewältigen sein. Freilich: eine Garantie, am Tag X an den Start gehen zu können, gibt es sowieso nicht. Ich mache also einfach weiter und sehe zu, was heute so geht. Über Nacht hat es kräftig geschneit. Das Schneeschippen gegen vier Uhr ist gewissermaßen meine Aufwärmübung. Kurz nach halb fünf laufe ich los. Durch den Schnee ist es schon recht hell. Die Vögel zwitschern schon laut und zumindest dies lässt einen den Frühling erahnen. Ansonsten ist es noch ruhig, kaum Verkehr, und die meisten Leute schlafen noch. Im Schnee läuft es sich beinahe wie auf Daunen! Das ist gut für Knochen und Gelenke, aber Muskelarbeit ist durchaus zu leisten, da der Untergrund nachgibt, was mehr Kraft kostet als sonst. Ich habe noch kein Streckenziel und will auch gar nicht so oft nach den Kilometern schauen. Dieser Lauf soll so entspannend wie nur möglich sein, ich werde mir keinen Druck machen. Die ganze Woche lang fühlt man sich wie im Krieg und irgendwann hat man nur noch genug davon; möchte nicht am Wochenende noch kämpfen müssen. Ab und zu ist etwas Kampfgeist ganz gut, aber wenn man zu sehr kämpft, ist es nicht mehr weit zur Verbissenheit. Heute mache ich es mal ganz anders: ich betrachte den Lauf nicht als Herausforderung, sondern als pure Regeneration. Ich halte also ein ganz ruhiges, gleichmäßiges Tempo, bei dem ich eine tiefe Bauchatmung beibehalten kann. Zuerst geht es nach Nordwesten, über die Flügelwegbrücke und wieder zurück, dann über das Feld zur Sternstraße und hinunter zur Elbe. Nun ist der Winterdienst unterwegs, aber dort, wo die Fußwege geräumt sind, ist es schmierig und glatt, man muss sehr vorsichtig sein. Nach neun Kilometern laufe ich auf den Elberadweg; nun geht es geradewegs ins Stadtzentrum. Wie es aussieht, habe ich wieder einmal das Elbtal für mich allein: außer mir mag noch niemand joggen. Nach zehn Kilometern gibt es etwas Apfelsaft. Das habe ich bei langen Läufen schon immer so gemacht, nur nicht in den letzten Wochen – da war es noch zu kalt bzw. die Strecken waren noch kürzer. Dann geht es weiter von Brücke zu Brücke. Es gelingt mir ganz gut, ruhig und entspannt zu bleiben, zeitweise laufe ich mit geschlossenen Augen. An der Albertbrücke ist Wendepunkt. Nach einer Weile schaue ich auf die Kilometeranzeige und kann es kaum glauben: über vierzehn habe ich schon zurückgelegt und fühle mich ausgeruhter als nach anderen, sehr viel kürzeren Strecken. Ich kann sogar richtig Körperspannung aufbauen! Aber ich versuche, so locker wie möglich zu bleiben und immer wieder die Haltung zu kontrollieren. Diese Erfahrung habe ich schon bei Yoga machen dürfen: wenn man sich ganz bewusst lockert, kann man oft noch ein Stück intensiver in die Übung hineingehen. Und diese Erfahrung lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen. Immer noch ist die Ansicht verbreitet, Menschen könnten ohne Druck, ohne die symbolische Peitsche nicht genug leisten. Was für ein Unsinn! Mit Ruhe und Gelassenheit schafft man mehr und das bei gutem Befinden. Bald habe ich 16 Kilometer hinter mir, meine heimliche, absolute Super-Wunschmarke, und es geht noch ein Stück, bis zurück nach Hause, da bin ich mir sicher. Und ich fühle mich gut dabei! Schließlich habe ich 17,5 Kilometer in 2 ½ Stunden zurückgelegt. Ob mir der Osterhase nun die Anmeldung zum Halbmarathon bringt? Ich brauche noch etwas Bedenkzeit.

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