Sonntag, 8. Mai 2011

08.05.11

Mein Wochenendlauf findet – etwas abweichend von meinen Gewohnheiten – an einem Sonntag statt, und auch die Rahmenbedingungen sind anders als sonst.
Das Ziel, meine Kondition zu steigern, habe ich erreicht – aber es gab noch ein weiteres Ziel, auf das ich mich in den vergangenen Wochen vorbereitet habe: bei einer Laufveranstaltung an einem 10-Kilometer-Lauf teilzunehmen. Ein solches Ziel kann – das bestätige ich – ein richtiger Motivationskick sein. Meine letzten Läufe waren ganz darauf ausgerichtet. Ich habe mir selbst ein Limit gesetzt, indem ich festlegte: wenn ich am Wochenende vor Ostern gut laufe, melde ich mich an. Dieser Lauf war ein sehr positives Erlebnis für mich, und demzufolge war die Anmeldung fällig.

Mit dem Oberelbe-Marathon hatte ich mir eine ziemlich große Veranstaltung ausgesucht. Ausschlaggebend für meine Wahl war die Strecke: man läuft dort, wo ich am liebsten unterwegs bin – auf dem Elberadweg. Bereits das Abholen der Startunterlagen am Freitag hat mich freudig gestimmt. Heute ist es nun so weit. Ich habe den Wecker auf fünf Uhr gestellt, bin aber schon drei Uhr wach. Damit habe ich aber gerechnet. In den vergangenen Wochen habe ich auf einen regelmäßigen Tagesablauf, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf geachtet. Ich frühstücke zwischen fünf und sechs Uhr, damit genügend Zeit bis zum Start verstreicht. Es gibt ein helles Marmeladenbrötchen, Kaffee, ausreichend Wasser und etwas Orangensaft. Ich bin voller positiver Erwartung und Gefühlen von Unsicherheit gebe ich keinen Raum. Den Streckenverlauf habe ich mir erklären lassen, ich bin gut trainiert, also komme ich auch ins Ziel.

Die 10-Kilometer-Strecke beginnt am Schillerplatz; gelaufen wird ins Stadtzentrum. Seit Tagen denke ich an diejenigen, die in Pirna und Königstein loslaufen. Besonders letztere, die Marathonläufer, sind für mich Helden – ohne Wenn und Aber. 8.25 Uhr komme ich am Schillerplatz an, Start ist 9.15 Uhr. Es sind schon einige Läufer eingetroffen und nach und nach kommen immer mehr hinzu, befestigen die Startnummern an ihren Trikots und die Transponder zur Zeitmessung an den Fußgelenken. Ich tue das auch, laufe auf und ab und höre mir die Informationen der Moderation an. Etliche Leute sehen sehr, sehr sportlich aus; viele tragen Trikots mit Aufschriften von Vereinen. Als Anfängerin stelle ich mich ganz hinten hin. Hinter mir sind die Walker mit ihren Stöcken. Ich bin voller Vorfreude und die gute Stimmung am Start steckt an. In meinem Bauch grummelt es. Das ist die Aufregung – ich beschließe, das zu ignorieren. In Laufbüchern steht, dass so etwas meist nach den ersten Kilometern vergeht.

Der Startschuss ertönt, aber es dauert noch einige Minuten, bis sich die Läufer vor mir bewegen. Ich hatte gelesen, dass 10-Kilometer-Läufe sehr schnell absolviert werden, aber das Anfangstempo beruhigt mich nicht nur – es ist mir entschieden zu langsam. Der Weg ist zunächst sehr schmal, so dass ich mich eine ganze Weile ausgebremst fühle. Einige Läufer brechen seitlich aus und überholen jenseits der Streckenmarkierung, aber ich möchte ihnen nicht nacheifern. Dann beginne ich, an der rechten Seite zu überholen, wieder und wieder. Das Tempo hier hinten ist wirklich gemächlich und es macht mich nervös, Grüppchen dicht vor mir zu haben. So geht das bis zur Waldschlösschenbrücke, bis ich das Gefühl habe, das Tempo ist ganz gut. Aber immer wieder habe ich den Eindruck, die Leute werden langsamer und ich nutze jede Gelegenheit, irgendwo hin zu kommen, wo nicht so ein Gedränge ist. Blickt man nach vorn, ist da ein ewig langer bunter Wurm im Elbtal unterwegs. Am Johannstädter Fährgarten wird Wasser ausgegeben, aber da ich generell erst nach 10 Kilometern etwas trinke, nehme ich keins.

Einige Leute beginnen bereits zu gehen, manche keuchen und schwitzen sehr. Da bin ich vergleichsweise gut drauf. Anstrengend finde ich vor allem das Überholen; da muss man aufpassen, niemanden zu behindern und am Wegrand nicht zu stolpern. Dort stehen immer mal Leute, die Angehörige anfeuern und fotografieren, aber der Andrang hält sich in Grenzen. Die Atmosphäre ist angenehm. Zweifellos habe ich mir eine schöne Veranstaltung ausgesucht! Carolabrücke, Augustusbrücke – es ist sonnig und heiß. Ich habe weder Sonnenbrille noch Cap mitgenommen, denn die Sonne ist fast immer im Rücken und für 10 Kilometer schien mir das unnötig. Am Kongresszentrum wird fotografiert, ein Schild weist rechtzeitig darauf hin. Ich hoffe, nicht zu angespannt auszusehen. Die Halbmarathon- und Marathonläufer haben es von hier an nicht mehr weit, aber die 10-Kilometer-Läufer müssen noch eine Runde durch den Ostra-Sportpark drehen.

Mir war klar, dass diese Runde anstrengend wird. Runden sind generell ätzend und diese führt erst einmal über eine Straße zum Messegelände, dann über die Brücke, welche die Flutrinne überquert und schließlich zurück zum Heinz-Steyer-Stadion. Die Brücke liegt in der prallen Sonne. Ich merke, dass viele Leute um mich herum zu kämpfen haben. Mir geht es nicht anders, aber die Beine bewegen sich fast automatisch und ich bin zuversichtlich, ins Ziel zu kommen. Eine Frau macht eine kurze Pause und dehnt sich, ehe sie weiterläuft. Endlich der letzte Kilometer, das Stadion ist nahe. Am Stadioneingang stehen viele Leute und aus dem Stadion tönen Trommelklänge. Ich möchte noch ein bisschen beschleunigen, aber plötzlich, ich kann das Ziel schon sehen, dreht sich mein Magen um. Shit, sowas ist mir noch nie passiert. Zusammenreißen – so kurz vor dem Ziel möchte ich nicht aufhören. Es ist nichts passiert, der Magen ist leer. Ich hoffe, es zieht mir jetzt nicht die Beine weg. Ein paar Meter noch – der nächste Übelkeitsanfall, den ich gerade noch einmal unterdrücken kann. Dann laufe ich ins Ziel. Angekommen, möchte ich mich schnellstens an den Rand verdrücken, aber irgendjemand hält mich auf, entfernt einen Abschnitt von meiner Startnummer und hängt mir eine Finisher-Medaille um. Dann möchte noch jemand den Transponder von meinem Fußgelenk – ach ja, natürlich. Ich gebe ihn ab und kann endlich den Zielbereich verlassen. Ich nehme mir ein Getränk – irgendwas Isotonisches – und nach dem Trinken ist mir nicht mehr schlecht. Meinen Mann, der am Stadion warten wollte, sehe ich nicht und gehe wie verabredet zu meiner Firma, wo ich duschen kann und Wechselsachen deponiert habe. Als ich dem Trubel entflohen bin, kann ich die Freude über den bestandenen Wettkampf genießen. Ganz selig bin ich über die hart erarbeitete Medaille. Jeder, der ins Ziel kommt, erhält eine – das finde ich sehr schön. Ich bin doch an meine Grenze gekommen, wenn auch auf eine Weise, die ich so nicht vorhergesehen habe. Ob ich wieder einmal an einer solchen Veranstaltung teilnehme, weiß ich noch nicht. Aber daran, dass ich weiter laufen werde, habe ich nicht den geringsten Zweifel.

Brutto-Laufzeit nach Ergebnisliste: 1 Stunde, 2 Minuten, 19 Sekunden

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