Samstag, 18. Juni 2011

18.06.11

Für heute Morgen war Regen angesagt, und tatsächlich: es regnet. Aber nur leicht, so dass mein Wochenendlauf trotzdem stattfindet. Ich nehme erst einmal die Jacke mit und lasse sie offen. Die Luft ist feucht, und es ist für morgens nicht gerade kühl. Gefrühstückt habe ich bereits; ich war zeitig munter. 6.15 Uhr beginne ich am Hoftor zu laufen. Es geht hinunter zur Elbe, weiter über die Molenbrücke und auf den Elberadweg. Der Anfang gestaltet sich meist etwas träge. Ich weiß nur, welche Strecke ich laufen möchte – wie weit, das überlasse ich der Tagesform. Gestern habe ich eine traurige Nachricht erhalten und war mir nicht sicher, ob ich laufen möchte. Aber nach dem Aufstehen wusste ich, dass ich es gerade jetzt versuchen sollte. Und nun, unterwegs, wird mir klar, dass ich mich heute auf die mentale Balance konzentrieren muss.

Der Himmel ist bedeckt, die Elbe fließt ruhig und dunkel dahin. Bis zur Marienbrücke wird es etwa dauern, bis ich mich eingelaufen habe. Ich ziehe die Jacke aus und binde sie um. Bis auf einige vereinzelte Radfahrer bin ich so gut wie allein. Es ist ja noch früh – aber das ist gut so. Ich überquere die Elbe über die Albertbrücke und laufe am Terrassenufer weiter Richtung Blaues Wunder. Dies ist die Strecke, wo man die Brücke lange Zeit nicht sehen kann. Es ist auch ein Stückchen bis dorthin – die Abstände anderer Brücken voneinander sind geringer. Hinter der Waldschlösschenbrücke geht es hinunter zum Elberadweg. Ich muss mich ab und an lockern, um nicht das Gefühl zu haben, mich anzustrengen oder gar anstrengen zu müssen. Bis zum Blauen Wunder möchte ich gern kommen, wenn es geht, auch ein Stück mehr – aber müssen muss ich gar nichts. Es ist kontraproduktiv, sich während des Laufens vor Augen zu führen, wie viele Kilometer man noch zurückzulegen hat. Allerdings achte ich heute darauf, mir die Kräfte gut einzuteilen. Zeitweise zügle ich mich ein wenig. Es ist richtig, auch heute unterwegs zu sein. Die Freundin, die ich verloren habe, werde ich in Gedanken oft mitnehmen. Laufen ist auch eine Zeit der Ruhe und der Besinnung.

Das Blaue Wunder ist erreicht – 10 Kilometer sind geschafft. Eine Stunde und zehn Minuten – das ist ein gutes Tempo. Tolkewitz, vielleicht Laubegast wäre ein lohnendes Ziel, aber ich konzentriere mich nur auf den Moment, korrigiere immer mal die Haltung und Atmung. Nun sind auch andere Läufer unterwegs. Manche sind langsamer, manche schneller. Einige, vor allem Frauen, sind sehr dünn. Was bei Yoga gilt, gilt auch beim Laufen: es ist deplatziert, sich mit anderen zu vergleichen. Heute wird mir besonders bewusst, dass meine Vorgehensweise, mein Tempo für mich passen – und sonst nichts.

Vieles wird im Kopf entschieden. Das ist mir klar, als die Elbwiesen bei Tolkewitz sehr weit werden. Weiter vorn sind die ersten Häuser von Laubegast zu sehen. Vor mir läuft ein älterer Mann sehr langsam, aber ich lasse mir mit dem Überholen Zeit. Nach einigen Metern weiß ich, dass ich bis Laubegast kommen werde. Auf der gegenüberliegenden Seite bin ich einmal bis zur Fähre gelaufen, und das hat genügt. Heute komme ich weiter. Immer mal gibt es Momente, die anstrengender sind. Ich versuche, mich zu lockern und die Füße gut abzurollen. Die Schritte sind auch noch groß genug. Ich bin heute jedoch bemüht, dass sie nicht zu sehr ausgreifen, und ich möchte auch nicht aus der Puste kommen. Eine ruhige, tiefe Atmung ist sehr wichtig. Als ich müde werde, tauchen am Horizont die Berge der Sächsischen Schweiz auf. Und auf der anderen Elbseite ist die Kirche „Maria am Wasser“ zu sehen. Das ist schon jetzt eine gute Strecke; ich sollte es gebührend würdigen. Aber nun reizt es mich, bis Kleinzschachwitz zu laufen. Mit gezielter Entspannung geht es auch recht gut weiter. Als ich an der Kleinzschachwitzer Fähre angekommen bin, kommt, völlig unerwartet, ein Powerschub, und es geht noch ein Stück. Links von mir ist Schloss Pillnitz zu sehen. Dann kommt die Elbinsel. Und es kommen Hunde auf den Weg. Ich möchte bis ans Ende der Elbinsel laufen, aber die zieht sich doch sehr in die Länge. Weiter vorn tummeln sich große Hunde. Ich laufe so weit, dass ich noch einen angenehmen Abstand zu ihnen habe, und höre auf. Zum Ende einer Strecke hin, wenn ich mit mir zu tun habe, möchte ich mir nicht noch Gedanken darüber machen, wie ich mich am besten den Hunden gegenüber verhalte. Ich gehe nach Kleinzschachwitz zurück, wo der Bus abfährt. Nun bin ich froh über den Orangensaft in meinem Trinkfläschchen. 17,3 Kilometer habe ich in zwei Stunden und vier Minuten zurückgelegt; es hat dieses Mal ohne Trink- und Gehpause geklappt. Bis auf die letzten Meter habe ich die Körperspannung halten können.

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