Samstag, 16. Juli 2011

16.07.11

Gestern Abend hatte ich eine gute Idee für einen Lauf. Vermutlich deswegen bin ich wieder kurz vor vier Uhr munter – völlig hibbelig und geradezu gierig aufs Laufen. Während des Frühstücks spüre ich das erste Mal seit Anfang Mai wieder Lust, an einem Wettkampf teilzunehmen. Vor unserem Urlaub wird das nichts, aber vielleicht sollte ich mir zum Saisonende noch eine Teilnahme an einer Laufveranstaltung gönnen.

6.03 Uhr starte ich am Hoftor, laufe am Feld vorbei zur Sternstraße, weiter nach Übigau und kurz vor der Flügelwegbrücke bin ich an den Elbwiesen. Die Sonne fängt an zu wärmen – da hätte ich doch ein ärmelloses Shirt nehmen sollen. Das ist nun nicht mehr zu ändern und ich laufe weiter Richtung Autobahnbrücke. Die Wiesen sind relativ trocken – das konnte ich nur hoffen. Auf dem Deich vor Altkaditz stehen Gras und allerlei Wiesenkräuter wieder etwas höher. Ein Greifvogel sitzt auf einem Pfosten. Als ich mich nähere, fliegt er auf und setzt sich auf einen weiter entfernten Pfosten. Leider muss ich ihn erneut vertreiben. Die Elbwiesen unterhalb des Deiches sind etwas feucht, deshalb laufe ich zur Straße und dort weiter nach Serkowitz. Hier sollte ich richtig in Schwung kommen – wo bleibt er nur? Als ich auf dem Elberadweg bin, setze ich mir Radebeul als Mindestziel. Das wären, weil ich durch Übigau gelaufen bin, etwa 9 Kilometer. Dann kommt der Abzweig zur Kötzschenbrodaer Straße, und heute wende ich mich rechts herum Richtung Kaufland. Vorbei geht es am Supermarkt und am Bahnhof Radebeul Weintraube. Ich kann schon mein Wunschziel vor mir sehen: das Spitzhaus über den Weinbergen. Dort will ich unbedingt hin! Ich überquere die Meißner Straße und laufe an der Haltestelle der Kleinbahn vorbei. Bald geht es leicht bergan, und nach ein paar Metern komme ich an dem Weg an, der zum Weingut Hoflößnitz führt.

Irgendwas stimmt heute nicht: ich fühle mich, als hätte ich schon mindestens 15 Kilometer hinter mir. Vielleicht waren es die unruhigen Nächte der letzten Zeit, vielleicht habe ich mich in der Woche beim Laufen zu sehr ausgepowert, oder ich habe mich irgendwo angesteckt – einige Kollegen kränkeln. Ein Blick zur Uhr bestätigt meine Vermutung: ich bin sehr langsam. Nun gut – die Spitzhaustreppe möchte ich hinauf, koste es, was es wolle! Bangigkeit lasse ich nicht aufkommen – in kleinen Etappen werde ich es schon schaffen. Ich bewundere diejenigen, die dort am Treppenmarathon teilnehmen – das wäre für mich eine unvorstellbare Hürde.

Schon am Weingut Hoflößnitz bin ich völlig aus der Puste und gehe ein paar Schritte. Zu Beginn der Spitzhaustreppe mache ich eine kurze Trinkpause und lege danach los. Aber es dauert nicht lange, und ich muss die erste Verschnaufpause machen. So geht das weiter – an die sechs Unterbrechungen brauche ich, bis ich oben bin. Die Aussicht ist allerdings phantastisch. Noch eine Trinkpause, und ich laufe langsam weiter nach Altwahnsdorf. Ein ganzes Stück bin ich im Schatten unterwegs und erhole mich ein bisschen. Dann geht es leicht bergauf. Irgendwann bin ich in Reichenberg und möchte nun weiter nach Boxdorf, denn dort fährt der Bus ab. Es geht bergab, und ein kühler Wind weht. Die Sonne habe ich aber im Gesicht und keine Sonnenbrille dabei. Das ist ebenfalls nicht zu ändern. Weiter vorn am Horizont sehe ich die ersten Hügel der Lausitz, aber ansonsten muss ich mich auf mich selbst und auf die Straße konzentrieren. Zum Glück ist kaum Verkehr. Körperlich bin ich wirklich nicht in Form, aber ich bin stolz auf die zurückgelegte Strecke und das treibt mich wieder an. Ich sehe Boxdorf vor mir und nach einigen Metern bin ich da. Nun ist es nur noch ein Stückchen durch den Ort. Da fährt der Bus gerade weg. Ich nehme das als Einladung, weiter zu laufen und die maximale Route in Angriff zu nehmen. Wenn es wirklich nicht geht, gibt es immer noch einige Haltestellen, an denen ich den Lauf beenden kann.

Ich laufe zunächst die Schulstraße entlang und biege an der Hauptstraße rechts ab. Nun heißt es, dieser Straße bis aus dem Ort heraus zu folgen. Ich denke nicht groß daran, wie weit ich noch kommen werde, sondern laufe einfach. Wieder ein Stück in der Sonne – und endlich kommt der Abzweig Richtung Waldmax. Die Sonne im Rücken und die Aussicht darauf, bald im Wald zu sein, beflügeln mich wieder. An der Ausflugsgaststätte Waldmax werden schon die Tische im Freien gedeckt. Das Dresdner Ortseingangsschild habe ich passiert. Das Bergablaufen ist noch einmal eine Belastung. Ich merke aber, dass es mir nicht so schwer fällt wie beim letzten Mal, als ich hier unterwegs war. Im Gegenteil: ich bin ganz froh darüber, denn nun habe ich durch die Hangneigung etwas Schwung. Als ich in den Waldweg am Heidefriedhof einbiege, bin ich erleichtert: eine richtige Wohltat ist es, hier unter Bäumen und auf Waldboden zu laufen. Das könnte mir wirklich den Rest der Strecke retten – aber den Gedanken schiebe ich gleich wieder weg. Neben mir dröhnt die Autobahn, aber die meiste Zeit bekomme ich sie nicht zu sehen. Die Strecke bis zum Sternweg, der unter der Autobahn hindurch aus dem Wald heraus führt, ist tatsächlich erholsam. Weiter geht es am Baumwiesenweg entlang zur Leipziger Straße. Wo es möglich ist, halte ich mich im Schatten. Mir wird klar, dass ich mein Ziel erreichen werde. Ein ziemlicher Kampf ist das heute – ich hoffe, morgen nicht zu k.o. zum Wandern zu sein. Da ist die Bunsenstraße, die mich zur Lommatzscher Straße führt, und nun sind es nur noch wenige Meter bis nach Hause. Im Hof mache ich zunächst ein paar vorsichtige Dehnübungen, bis ich zur Uhr sehe. Zwei Stunden und fünfzig Minuten für 19,9 Kilometer – sehr langsam war ich, aber die Strecke muss ich zweimal messen, ehe ich das wirklich glauben kann. Zweifellos mein bisher Weitestes! Dass die Motivation den Körper derart ziehen kann, hätte ich nicht für möglich gehalten.

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